Grasheim
Wer heute durch Grasheim fährt, gelangt unweigerlich zum Maibaum, der mit dem Feuerwehrgerätehaus und dem Kriegerdenkmal das zentrale
Dreieck des Ortes bildet. Eine Gaststätte ist hier nicht zu finden, doch lädt der Platz zum verweilen ein und es bietet sich Gelegenheit, die
Gedanken in frühere Zeiten schweifen zu lassen.
Stellen wir uns dazu ein mit breiten Eisenreifen versehenes Pferdegespann vor, das eine Fuhre gestochenen Torfs vorbeizieht oder
Dorfbewohner, die nach der Messe aus der naheliegenden Lutz’n Kirche nach Hause gehen, oder eine Gruppe von Soldaten, die mit
Handwerks-geräten/Schaufeln bewaffnet zum Grabenbau ziehen oder eine kleine Tierherde, die sich auf der Suche nach Futter hierher
verschlagen hat, wo es weit und breit keine Siedlung und keinen Weg gibt.
Wie mag es an dieser Stelle vor 20 Jahren, vor 200 Jahren, vor 2000 Jahren oder vor 20.000
Jahren ausgesehen haben?
Die einfachste Antwort liegt wohl am weitesten zurück.
Sumpfig.
Vorgeschichtlich lassen sich für eine Donaumoosortschaft keine besonderen Entwicklungen
ausmachen. Es gibt keine Zwischenkulturen, die Eiszeit hat die Landschaft geformt und sie hat
eine Schüssel hinterlassen. Die ist vollgelaufen, hat Moor und Torf erzeugt. Erst vor 200 Jahren
ist der entscheidende Wandel eingetreten.
Gelehrte und öffentliche Stellen waren der Meinung die Landschaft südlich der Donau
zwischen Pöttmes und Reichertshofen sei eine Goldgrube, wenn man ihr nur das Wasser
angrabe, das heisst bestehende Wasserläufe begradige und neue anlegen um einen
Wasserabfluss zu schaffen und somit die Landschaft trocken zu legen. Die Ertragskraft
des Moorbodens, also die abgestorbenen und vermoderten Pflanzen früherer
Vegetationen, wurde wesentlich überschätzt. Der Mangel an mineralischen Substanzen
ließ eine blühende Landwirtschaft nie zu. Auch die sonstigen Rahmenbedingungen waren
nicht dazu angetan den Bürgern eine ausreichende Lebensgrundlage zu bieten.
Verschiedenen Lehensherren wurden die bereits urbar gemachten Flächen überlassen.
Diese verteilten ihren Besitz weiter an Kolonisten aus einer Vielzahl von Landstrichen aus den damaligen
Herrschaftsgebieten des Churfürsten Karl Theodor.
Durch die fortschreitende Parzellierung konnten zwar die Lehensherren ihren Ertrag steigern, die Kolonisten erhielten jedoch keine ausreichende
wirtschaftliche Grundlage für ein sorgenfreies Leben.
Einer dieser Kolonisten ist ein gewisser Graßmeier, der heute als Namensgeber des Ortes gilt. Er lässt sich am 27. Februar 1796 hier nieder, in
der Hoffnung als Grabenarbeiter sein Auskommen zu finden. Doch schon nach zwei Jahren sieht er sich seiner Arbeitsgrundlage beraubt, als
der Lehensherr Johann von Bresselau die Kulturarbeiten einstellt. Deswegen kommt der nächste Kolonist Jakob Spehr erst 1809 in die Gegend
und es dauert wieder mehr als 10 Jahre bis Chronisten von der Entwicklung eines Dorfes sprechen und den Namen Grasheim verwenden, nach
dem die Kulturarbeiten wie Aus- und Neubau von Gräben, Schleusen und Durchlässen, Bau neuer Wege und Brücken und Anpflanzung von
Pappeln und Weiden wieder fortgesetzt werden.
Es ist die Zeit in der vor allem Kolonisten aus der links- und rechtsrheinischen Pfalz in das Moos zuziehen. Das
Donaumoos erhält seinen churpfälzischen Einschlag. Die Leute kommen aus der Gegend von Heidelberg und
Schwetzingen (siehe heutiger Gemeindeteil Neuschwetzingen).
Die Entwicklung geht nun sogar eilenden Schrittes voran. 1830, Grasheim gehört jetzt zur
Steuergemeinde Untermaxfeld, wohnen bereits 200 Katholiken und 200 Protestanten und etliche
Irvingianer in 83 Anwesen, wie die Pfründestatistik des Bistums Augsburg nachweist. Innerhalb 20
weiterer Jahre wächst die Bewohnerzahl auf nahe 500 um zur Jahrhundertwende auf 363 zurück zu fallen.
Seit 1860 ist Grasheim selbstständig. Es gibt wenige, weit- auseinandergezogene Siedlungsbereiche an drei Straßen ohne besonderen
Kernpunkt. 1877 besitzt es sogar eine eigene Kirche, die unter Pfarrer Johann Evangelist Lutz für die Irvingianer eröffnet wird.
Für diese Zeit sind keine besonderen Aufzeichnungen bekannt. Die wichtigen Entwicklungen finden in der Nachbargemeinde Karlshuld statt.
Pfarrer Gerle gründet die Korbfabrik und den Raiffeisenverein. Schulschwestern haben sich niedergelassen. Das Moos nimmt erstmals einen
Aufschwung. Erster Weltkrieg, Inflation, Weltwirtschaftskrise und Zweiter Weltkrieg setzen der Entwicklung enge Grenzen.
Heimatvertriebene lassen die Einwohnerzahl auf 577 anwachsen.
1947 richten die Grasheimer in der Lutz’n Kirche eine eigene Schule ein. Sie wird als christliche Gemeinschaftsschule geführt. Wenige Jahre
später verlassen die evangelischen Schüler die Schule in Richtung Karlshuld. 1962 findet dann die endgültige Weichenstellung statt. In
Karlshuld soll eine neue Schule für beide Gemeinden und beide Konfessionen entstehen. Auch baulich ist der Zusammenschluss der
Nachbargemeinden bereits vollzogen. 1968 gehen alle Kinder in die neue Schule, 1975 wird das Bethaus, Kindergarten, Flüchtlingsunterkunft
und Schule “Lutz’n Kirche” abgerissen und letztendlich gehören ab 1978 die 455 Einwohner zur Gemeinde Karlshuld.
Wappen der
Gemeinde
Karlshuld
Auch dieses Ereignis liegt nun schon ein Vierteljahrhundert zurück. Heute ist das tägliche Leben in der neuen Gemeinde wirtschaftlich
verwoben. Doch Grasheim hat seine Eigenständigkeiten nicht aufgegeben. Mehrere Vereine haben ihren Sitz in Grasheim. Es gibt noch
einheimische Wirte. Die bauliche Entwicklung ist beachtlich, den Laden um die Ecke gibt es jedoch nicht mehr.
Das Gründungsfest des Trachtenvereins soll eine Verbindung knüpfen. Das Fest findet auf dem gut geeigneten Festplatz der Gemeinde statt.
Der Festzug wird über die Hauptstraße und die Augsburger Straße nach Grasheim führen. Der Trachtenverein will damit neben der
gleichlaufenden Entwicklung die spezielle Bindung zum Ort Grasheim dokumentieren.
Das Donaumoos hat in zwei Jahrhunderten eine stürmische Entwicklung hinter sich gebracht. Personen unterschiedlichster Herkunft wurden auf
die schnelle zusammengewürfelt und in ein Experiment gestürzt. Das Ergebnis war jahrzehntelang ein Drama. Die Nachkriegszeit hat die
Entwicklung beruhigt.
Mittlerweile kann das Moos in der allgemeinen Entwicklung mit dem Umland mithalten.
Der Eingriff in die Natur ist jedoch nicht zur Ruhe gekommen, deshalb wird seit Jahren wird um die Donaumoossanierung gerungen. Mit
unterschiedlichen Gedankenspielen soll eine spezielle Kulturlandschaft erhalten bleiben. Der genaue Weg ist noch nicht bestimmt. Wir werden
sehen, was die Zukunft bringen wird.
Werner Seitle
Wir danken an dieser Stelle Herrn Uwe Kühne und dem Kulturhistorischen Verein Donaumoos e. V. für die Überlassung des Bildmaterials.
Das Dorf Grasheim
Dö Birkastoana
Grasheim