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Der Heimat- und Volkstrachtenverein “Dö Birkastoana” Grasheim e.V.
Jetztzeit Was macht ein Trachtenverein? Die Frage scheint berechtigt. In der Gemeinde Karlshuld ist jeder 33. Mitglied im Trachtenverein, im Landkreis jeder 150. und in ganz Bayern jeder 13. Einwohner. Wir sehen, nur wenigen ist es vergönnt, einen Einblick in das Leben eines Trachtenvereines zu gewinnen. Darum soll mit diesem Text versucht werden, Licht in das Dunkel zu bringen. Kommen wir zur Anfangsfrage zurück und formulieren um: warum heute ein Trachtenverein? Die Antwort fällt vielfältig aus. o Er bietet Gelegenheit zum Gespräch, zur Unterhaltung für die ganze Familie, o er vermittelt zwischen den Generationen, o er stellt die Plattform zur eigenen Kreativität in Musik, Gesang, Tanz und Theater, o er verschafft den Zugang zu einer Vielzahl von Menschen, o er baut eine Brücke in die Vergangenheit, o er lässt die Zukunft nicht uniform aussehen. Sie sehen also plötzlich, es handelt sich um mehr als die Gruppen bunt gekleideter Menschen, die zu Marschmusik am Sonntag- nachmittag durch die Straßen ziehen. Übrigens immer wieder ein erhebendes Gefühl, mitzuerleben wie sich die Zuschauer darüber freuen können. Rückschau und Entwicklung So sehen wir also den Trachtenverein heute. Was hat nun vor 75 Jahren stattgefunden? Die Trachtenbewegung, die 1883 mit der Gründung des ersten Trachtenvereines durch den Lehrer Josef Vogl in Bayrischzell ihren Ausgang genommen hatte, war nach Norden gewandert und hatte die Mitte Bayerns erreicht. Viele Vereine des heutigen Donaugau Trachtenverbandes sind in der Zeit nach 1920 entstanden. Der ursprüngliche Beweggrund war der Erhalt der Volkstracht im Leitzachtal. Etliches heimatliches Brauchtum war bereits verloren gegangen. Das bisherige vielfältige Gewand war auf dem besten Wege durch den städtischen Anzug und das vornehme Kleid verdrängt zu werden. Die damaligen Vereinsgründer wollten die Lederhose, dabei vor allem die Kurze, und den grauen Janker als Gebrauchskleidung erhalten. Heute umfasst die Vereinsaufgabe einen viel weiteren Kreis. Im Trachtenverein steckt eine komplette Familienbewegung. Wie in kaum einem anderen Verband sind hier alle Generationen vereint. Es gibt keine Altersklassentrennung. Das ganze Vereinsleben umfasst jedes Lebensalter und jedes Geschlecht; gerade in unserer heutigen individuellen Zeit ein bemerkenswerter Aspekt. Zu erreichen ist das alles natürlich nur mit einer ganz intensiven Jugendarbeit. Von klein an ist die Beteiligung an den Vereinsaktivitäten möglich. Mit zunehmendem Alter steigen auch die persönlichen Anforderungen, sei es nun im Vortrag, im Tanz oder in der Musik. Am Ende der Entwicklung steht dann eine kritische Phase. Der Übergang zum Erwachsenenalter bedeutet oftmals den Rückzug vom Verein. So trifft es kaum auf, dass Personen in den 20iger Lebensjahren zum Verein finden. Gerade bei den Männern stellt sich bisweilen eine ausgeprägte Tanzfaulheit ein, die sich in den Zeiten nach der Heirat noch weiter vertieft. Dabei war die Tanz- oder vor allem Plattlerbegeisterung ein Beweggrund für die Vereinsgründung. Zwölf Burschen, die eben das Erwachsenenalter erreicht hatten, taten sich am 08. April 1925 beim Müllerwirt in Grasheim zusammen, nachdem sechs von ihnen bereits Mitglied beim Trachtenverein in Karlshuld gewesen waren. Dieser hatte jedoch nur eine Lebenszeit von elf Monaten gehabt. Zu verdanken war diese Begeisterung einer damals modernen Entwicklung. Mit dem Einzug der Stromversorgung kamen Arbeiter in die kulturhistorisch arme Gegend des Donaumooses, die die Trachtenbewegung aus dem Voralpenland mitbrachten und diese mündete in der Gründung eines Gebirgstrachtenerhaltungsvereines “Dö Birkastoana” Grasheim. Ein bedauerliches Problem ist dabei, dass die Gründe für die Namensgebung verlorengegangen sind und heute nur noch Mutmaßungen existieren. Die Entwicklung eines Trachtenvereines im Donaumoos erstaunt umso mehr, da die Bevölkerung ja keine gemeinsamen historischen Wurzeln kannte. Auch gibt es kein Foto einer Hochzeitsgesellschaft auf der noch eine Tracht zu sehen wäre. Die Kolonisten des ersten Jahrhunderts waren einfach zu sehr mit dem täglichen Kampf ums Überleben beschäftigt, als es noch genügend Zeit für eine kulturelle Entwicklung gegeben hätte. Doch jetzt nach 125 Jahren war die Zeit reif, wie in der näheren Gegend ebenso. Heute sind im Landkreis Neuburg- Schrobenhausen nur noch zwei Vereine übrig geblieben. Eine Tatsache, die uns schon mit Stolz erfüllt aber auch mit der Verpflichtung den Verein gedeihlich zu entwickeln. Auch der Trachtenverein Grasheim hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Allein viermal musste der Vereinswirt gewechselt werden. Doch allen Hindernissen zum Trotz ist der Verein sehr lebendig. In viele Bereiche erstrecken sich unsere Aktivitäten.    Ob der Maibaum aufgestellt wird im Ortsteil Grasheim oder das Rosenfest stattfindet, der Trachtenverein ist immer dabei. Das Grundlegendste ist wohl die Verständigung. Die Ausdrucksweise im Dialekt ist dabei oberstes Gebot. Niemand hatte wohl zur Zeit der Vereinsgründung gedacht, dass der Erhalt unserer bayerischen Muttersprache einen solchen Stellenwert einnehmen würde. Doch sie ist mittlerweile wirklich in Gefahr. Die Gründe sind vielfach: Radio und Fernsehen, Kindergarten und Schule, Elternhaus und Verwandtschaft. Es fehlt das Bewusstsein, dass etwas verloren gehen wird, wenn man es nicht gebraucht oder pflegt. Auch unsere bayerische Umgangssprache hat sich schon abgeschliffen, viele Ausdrücke sind schon verschwunden; soweit wollen wir es mit dem “Boarischen” nicht kommen lassen. Hier besteht auch die engste Verbindung mit den Nicht-trachtlern, denn noch kann die Dialektsprache als verbereitet gelten. Stilgerecht wäre es wohl auch diesen Text im Dialekt zu schreiben. Wir wollten uns aber wegen der leichteren Lesbarkeit der Schriftsprache bedienen. Das Auffallendste ist das Trachtengewand. Jeder heutigen Mode entrückt, kann man heute in der Tracht nicht über die Straße gehen ohne aufzufallen. Tracht bedeutet heute ein schönes Gewand, das vielfältig in Form und Farbe ist. Bei uns gibt es nur ein Sonntagsgwand; andere Trachtenformen sind nicht in Gebrauch. Aus den Anfängen stammt dabei die Miesbacher Tracht. Diese haben die Antreiber der Trachtenbewegung mitgebracht. Nach dem Krieg entwickelte sich die Besinnung auf die eigene Volkstracht. Eine schwierige Aufgabe in einem Landstrich, der erst vor 150 Jahren besiedelt wurde und dazu noch von Personen unterschiedlichster Herkunft. Entsprechend der größten Anzahl besann man sich der Tracht aus der Churpfalz. Also nichts alltägliches oder gewohntes. Weitere Forschungen führten zur heute vereinsüblichen Pfälzer Tracht, die sich in Form und Farbe wesentlich von den Kleiderformen der Landschaft nördlich von München unterscheidet. Dazu konnte eine entsprechende Kindertracht ermittelt werden, die erst in den 90er Jahren eingeführt wurde. Hier fällt der Übergang leicht zum Wichtigsten, der Jugendarbeit. Nur sie sichert den Vereinsbestand und ist die Grundlage für den intakten Familienverband. Der Jugendleiter hat die meiste Beschäftigung und große Verantwortung im Verein. In wohl dosierter Form soll den Kindern das wertvolle Volksgut nahe gebracht werden. Besondere Bedeutung hat dabei die Gestaltung der Nikolausfeier durch die Jugendgruppe. Das Erfreulichste ist die Musik und der Tanz. Diese beiden Kulturformen besitzen eine innige Verbindung. Welchen Trachtler juckt es nicht in den Beinen, wenn er eine schneidige Musik hört. Dabei kennt die Volksmusik alle Spielformen, sie ist traurig und lustig, langsam oder rasant, kann still und stürmisch sein. Ob gesungen oder instrumental, die ungefähre Herkunft ist schnell heraus zu hören. Zum Glück gestalten sich immer wieder kleine Volksmusikgruppen aus dem Vereinsleben heraus. In verschiedenen Zusammensetzungen spielen und singen sie vor allem zur eigenen Freude. Das Verbindendste ist das Volkstheater. Hier findet sich der zahlen-mäßig größte Zuspruch zu den Konsumenten. Nur wenige Veranstaltungen sind so gut besucht, wie die Laientheateraufführungen. Mittlerweile dienen sie auch der Pflege der Dialektsprache. Das Volkstheater hat im Verein eine große Tradition. Ursprünglich sicherte es die finanzielle Grundlage des noch jungen Vereins und war damals in einer radio- und fernsehlosen Zeit eine willkommene Unterhaltung. Zahllose Stücke wurden von wechselnden Generationen von Schauspielern aufgeführt. Diese Tradition hat sich mit großem Erfolg bis in unsere Zeit erhalten. Etwas bedauerlich ist nur, dass ernsthaftere Stücke heute kein Publikum mehr finden. Die Stückauswahl bei den Lustspielen ist dabei immer eine Gratwanderung zwischen Klamauk und fehlendem Inhaltswitz. Das Erhaltenswerteste ist die Volkskultur. Sie berührt jedermann, niemand kann sich ihr entziehen. Auch andere Vereine und Verbände leisten ihren Beitrag hierzu. In der Volkskultur finden sich wichtige Unterscheidungsmerkmale, die die Einordnung unserer Mitmenschen erleichtern. Sie gibt uns die notwendige Persönlichkeit und macht uns unverwechselbar. Gerade die Vielfalt der Volkskulturen hat ihren besonderen Reiz. Was gibt uns eine Modeerscheinung, der alle nachrennen? Wenn alle teilnehmen, ist die Sache nicht mehr interessant und der nächste Gegenstand muss gefunden und ausgeschlachtet werden. Alle obigen Einzelpunkte fließen in der Volkskultur zusammen. Der Trachtenverein hat dort seine grundlegende Aufgabe. Wir werden nicht nachlassen, das selbstgesetzte Ziel des Erhalts unserer Volkskultur zu erreichen. Damit ist aber noch lange nicht das gesamte Vereinsleben dokumentiert. Dazu gehört auch der normale Alltag mit seinen Freuden und Problemen. Schwierigkeiten tauchen von innen und von außen auf. Der Zusammenhalt untereinander wird damit wichtig. Und dieser gestaltet sich besonders gut mit unserem Patenkind, den Garten-freunden Karlshuld, die ihre Fahne 1983 unter der Obhut des Trachtenvereins segnen ließen. Auch unser 75jähriges Jubiläums, mit dem die Gartenfreunde zeitgleich ihr 50jähriges feiern, soll diese fruchtbare Zusammenarbeit dokumentieren. Vorausschau In Anbetracht des Jubiläums ist es natürlich notwendig zurückzuschauen über die Jahrzehnte bis zur Gründung. Ebenso geboten ist aber auch der Blick nach vorn. Viele Grundlagen der Trachtenbewegung sind schon verloren gegangen, andere einer weitgehenden Veränderung unterworfen. Die Landwirtschaft hat ihre Bedeutung weitgehend verloren. Zur Zeit einer überwiegenden Landwirtschaft waren die Interessen der Menschen viel gleichartiger, heute laufen sie mit der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung viel weiter auseinander. Die Lebensweise hat sich stark verändert. Es herrscht ein Ganzjahresbetrieb. Das früher Gewohnte mit seinem Auf und Ab, den Ruhezeiten und der meist wetterbedingten Hektik, ist einer ganzjährigen Dauerbewegung gewichen, in der auch große Festtage einfach abgehakt werden. Von Bedeutung ist oft nur noch der Urlaubseinschnitt, so ist auch im Trachtenvereinsleben im Monat August eine Pause angesagt. Die Vermarktung lässt heute den Valentinstag oder den Muttertag oder den Vatertag höher bewerten als die kirchlichen Feste. Eigentlich eine trübe Ausgangslage für die Zukunft der Trachtenvereine. Ist nun der Untergang wegen der schleichenden Verallgemeinerung und der Globalisierung schon angesagt oder tritt dagegen eine Wertsteigerung ein, weil Dialektsprache, Trachtengewand, Volksmusik und die dazugehörigen Tänze einen Seltenheitswert erreichen, der uns heute erschrecken würde. Finden wir zwischen einer hektischen Individualität und dem geeiferten Streben nach der Teilnahme an jeder Modeströmung den goldenen Mittelweg, der uns Persönlichkeit garantiert, weil wir von jeder Mode befreit sind. In der Anfangszeit eines neuen Jahrhunderts oder Jahrtausends blühen die Entwicklungsideen. Das 20. Jahrhundert hat uns gezeigt, dass unsere Vorstellungen im Nu von der Wirklichkeit überollt werden. Schnell waren die Träume von einer wunderbaren Entwicklung ausgeträumt. Die Trachtenbewegung hat damals ihren Anfang genommen. Alle Neuheiten der letzten hundert Jahre haben ihr nicht den Lebensnerv genommen, sondern sie steht auch heute noch in ihrer Blüte da. Wir sehen es als unsere Aufgabe, den Weg zu bereiten für weitere 100 Jahre gedeihlicher Entwicklung der Trachtensache und des Heimat- und Volkstrachtenvereins “Dö Birkastoana” Grasheim. Werner Seitle
Lehrer Josef Vogel Bayrischzell Gründer der Trachtenbewegung Josef Bürkel Gründungsvorstand Gebirgstrachtenerhaltungsverein "Dö Birkastoana" Tracht der älteren Generation Tracht der Jugend
  Dö Birkastoana Grasheim
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